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Strodtbeck'sche Schnauze
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Der Canis hypothyreoticus
Die Schilddrüsenunterfunktion des Hundes
Sie ist zur Zeit in aller Munde: zunehmend wird die Schilddrüse zum Thema von Diskussionen zwischen Hundehaltern/ – trainern und Tierärzten, die Schilddrüse. Auf der einen Seite neigen viele teilweise dazu, sämtliche Verhaltensprobleme auf die Schilddrüse abzuwälzen, auf der anderen Seite weigert man sich beharrlich, den Zusammenhang zwischen subklinischen, also leicht erniedrigten Schilddrüsenwerten und Verhaltensänderungen zu sehen. Wie bei so vielem gibt es auch bei der Schilddrüse nicht nur Schwarz und Weiß, sondern viele Graustufen dazwischen. Und damit leider mal wieder keine einfache Pauschallösung. Um ein bisschen Licht ins dunkle Grau zu bringen, widmen wir uns in diesem Artikel der Schilddrüse, ihrer Funktion, ihren Hormonen und den Folgen einer (subklinischen) Schilddrüsenunterfunktion.
Die Schilddrüse ist eine Hormondrüse im Halsbereich, deren Hormone Einfluss auf fast alle Organe haben. Die Hauptfunktion der Schilddrüse besteht in der Iodspeicherung und Bildung der iodhaltigen Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4), Triiodthyronin (T3) sowie des Peptidhormons Calcitonin, das wir aber in diesem Artikel vernachlässigen können, Es hat keine Auswirkungen auf das Verhalten.
Außerdem gehören zum hormonellen Regelkreis der Schilddrüse weiterhin auch noch die übergeordnete Hormone TSH (Thyroidea stimulierendes Hormon) aus der Hirnanhangdrüse und TRH (TSH stimulierendes Hormon) aus dem Zwischenhirn. Sie regulieren die Aktivität der Schilddrüse.
Die Hormone im Einzelnen
Thyroxin, als T4 bezeichnet, wird direkt in der Schilddrüse gebildet und ist als sogenanntes Prohormon die biologische Vorstufe für das eigentlich aktive Trijodthyronin (T3). Trijodthyronin wird in den Zielorganen (v.a. Leber und Nieren, aber auch Gehirn, Herz und fast alle Zellen des Körpers) aus T4 gebildet. Seine Funktion ist eine Steigerung des Stoffwechsels, die dazu führt, dass der Grundumsatz erhöht wird: die Herzfrequenz steigt an, der Umsatz im Zucker- und Fettstoffwechsel wird gesteigert und die Körpertemperatur und der Blutdruck werden erhöht. Das sind nur einige Wirkungen des T3.
Außerdem muss man sich auch jene Hormone aus dem Gehirn anschauen, die die Aktivität der Schilddrüse beeinflussen: das TSH (Schilddrüsen-stimulierendes Hormon) wird in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet und wirkt direkt auf die Schilddrüse, die unter TSH-Einfluss die Bildung von T3 und T4 und deren Freisetzung aus der Schilddrüse reguliert. Außerdem bestimmt es die Blutversorgung der Schilddrüse, die Aufnahme von Jod in die Schilddrüse und die Bildung des Trägereiweißes Thyreoglobulin, das für den Transport der Schilddrüsenhormone im Blut benötigt wird. Nachgewiesenermaßen korreliert eine Erhöhung des TSH mit Depressionen.
Geht man im Gehirn noch eine Stufe höher, so landet man im Boden des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Hier wird ein weiteres Hormon gebildet, das zum Regelkreis der Schilddrüsenhormone gehört: das TRH oder auch TSH-stimulierende Hormon. Es bewirkt in der Hirnanhangdrüse die Freisetzung von TSH, welches dann wiederum auf die Schilddrüse wirkt.
Die Schilddrüse
Die Schilddrüse ist Ausgangspunkt für zahlreiche Erkrankungen, die unter anderem zu Störungen des Hormonstoffwechsels führen und eine Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose bzw. Hyperthyreose) hervorrufen können. Während man bei der Katze fast ausschließlich eine Überfunktion findet, spielt beim Hund die Unterfunktion die größere Rolle. Erhöhte Werte wie bei einer Überfunktion, sind beim Hund in ganz seltenen Fällen durch einen Tumor verursacht. In der Regel sind sie aber auf das Verfüttern von rohen Kehlköpfen oder Schlundfleisch zurückzuführen, da die darin enthaltenen aktiven Schilddrüsenhormone genau so wirken wie die körpereigenen Hormone. Sollten sich also in den Blutwerten erhöhte T4-Werte ergeben, ist nicht gleich das Schlimmste zu befürchten, sondern man sollte nach der Vermeidung dieser Futterkomponenten die Werte erneut bestimmen. Meist ist dann alles wieder im Normbereich.
Die Blutwerte
Um eine Fehlfunktion der Schilddrüse zu diagnostizieren ist ein komplettes Schilddrüsenprofil mit T3- und T4-Werten (in freier und an das Transporteiweiß gebundener Form) und TSH von Nöten. Außerdem sollte immer Cholesterin mit beurteilt werden, da man bei Hunden mit einer Schilddrüsenunterfunktion häufig erhöhte Cholesterinwerte findet. Zusätzlich empfiehlt es sich, die sogenannten TAK, Antikörper auf das Transporteiweiß Thyreoglobulin, mit zu bestimmen, um eine autoimmune Ursache, also eine beim Hund häufige, auf ein fehlgeleitetes und übersteigertes Immunsystem zurück zu führende Schilddrüsenunterfunktion diagnostizieren zu können.
Grundsätzlich sollte auch immer parallel ein komplettes Organprofil erstellt werden, da es auch im Zusammenhang mit vielen verschiedenen anderen Erkrankungen zu einem Abfall der zirkulierenden Schilddrüsenhormone kommen kann. Dieses Phänomen nennt man Non-Thyroidal Illness (NTI) oder Euthyroid Sick Syndrome (ESS). Man geht davon aus, dass es sich beim NTI/ESS um eine physiologische Anpassungsreaktion des Körpers handelt, deren Ziel es ist, aus Selbstschutz den Stoffwechsel während der Erkrankung herab zu setzen.
Außerdem ist zur Interpretation auch wichtig zu wissen, dass die Konzentration an Schilddrüsenhormonen im Alter abnimmt, Windhunde per se niedrigere Werte, kleinere Rassen höhere Werte haben als größere, und dass bei einer Hündin um den Geburtstermin die Werte ansteigen. Außerdem haben verschiedene Medikamente einen Einfluss auf den Hormonspiegel, so dass Sie Ihrem Tierarzt zur Beurteilung mitteilen sollten, ob der Hund zur Zeit Medikamente bekommt.
Bei einer klinisch manifesten Hypothyreose findet man bei den Blutwerten einen deutlich erhöhten TSH-Wert und niedrige T4- und T3-Werte. An das Gehirn geht dann die Rückmeldung, dass nicht genügend T4 und T3 vorhanden ist, weil die Schilddrüse aufgrund verschiedener Ursachen (s.u.) so weit eingeschränkt ist, dass sie nicht mehr in ausreichender Menge Schilddrüsenhormone produzieren kann. Deswegen wird aus dem Gehirn ständig noch mehr TSH nachgefeuert, um den Spiegel an Schilddrüsenhormonen zu erhöhen. Das gelingt aber nicht.
Außerdem findet man häufig einen erhöhten Cholesterinwert, und – je nachdem, ob eine Autoimmunerkrankung vorliegt oder nicht – Antikörper gegen die Schilddrüsenhormone oder deren Transporteiweiß.
Die Diagnostik
Die Diagnostik der Schilddrüsenunterfunktion bedarf außer den Blutwerten und einem Organprofil auch verschiedener anderer diagnostischer Maßnahmen. Eine ausführliche Anamnese und die Beurteilung aller Symptome, die das Tier zeigt, sind ausgesprochen wichtig. Ein erfahrener Tierarzt kann auch mit Hilfe des Ultraschalls die Schilddrüse beurteilen. Vor allem bei der sogenannten subklinischen Hypothyreose (s.u.), findet man keine eindeutigen Blutwerte und die Diagnostik gleicht oft einem Detektivspiel, bei dem man alle vorhandenen kleinen Mosaiksteinchen zusammensetzen muss, um zu einer Aussage bzgl. der Beteiligung der Schilddrüse am Verhalten zu kommen.
Die Symptome der klassischen Hypothyreose
Bei einer klassischen Schilddrüsenunterfunktion findet man alle Anzeichen eines herabgesetzten Stoffwechsels: die Hunde nehmen an Gewicht zu, obwohl man an der Futtermenge nichts geändert oder sie sogar bereits deutlich reduziert hat. Die Fellqualität wird schlechter, rasierte oder geschorene Stellen wachsen sehr langsam oder gar nicht wieder nach, es kann zu Fellausfall kommen, und in schweren Fällen zeigen die Hunde einen Rattenschwanz. Insgesamt ist die Fellqualität sehr schlecht, die Haare werden stumpf und glanzlos, manche Hunde ergrauen auch frühzeitig. Das heißt aber natürlich im Umkehrschluss nicht, dass jeder Hund, der mit 5 Jahren bereits eine graue Schnauze hat, auch an einer Schilddrüsenunterfunktion leidet. Dennoch sollte man beim Auftreten solcher Symptome immer auch an die Schilddrüse denken. Außerdem kommt es zu einer herabgesetzten Herzfrequenz, Zyklusstörungen, einer verzögerten Wundheilung, einer Immunschwäche, und man findet bei betroffenen Hunden auch immer wieder therapieresistente Haut- und Ohrenentzündungen. Auffällig ist auch, dass diese Hunde plötzlich eine Kälteintoleranz zeigen und vermehrt warme Plätze aufsuchen, denn die Schilddrüse bzw. deren Hormone sind auch an der Temperaturregulation beteiligt. Der „Klassiker“ bei hypothyreoten Hunden ist auch der traurige Blick, der den Besitzern oft auffällt. Das ist keineswegs Einbildung, denn es kommt zu Wassereinlagerungen unter der Haut, besonders um die Augen, wodurch dieser traurige Blick entsteht.
Vom Verhalten her zeigen sich Hunde mit einer klinisch manifesten Hypothyreose sehr reduziert bis apathisch, sind nicht besonders belastbar und schnell erschöpft.
Ursachen einer Hypothyreose
Die Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion liegt in 95% aller Fälle direkt in der Schilddrüse, die durch Entzündungen, Jodungleichgewicht oder eine Autoimmunerkrankung geschädigt ist und nicht mehr die benötigte Menge an Hormonen bilden kann. In diesem Fall spricht man von einer primären Hypothyreose.
Von einer sekundären Hypothyreose ist die Rede, wenn die Störung in der Hirnanhangdrüse liegt. Entweder ist diese Störung angeboren oder durch eine Neubildung verursacht.
Eine sogenannte tertiäre Hypothyreose, deren Ursprung im Zwischenhirn, also noch eine Stufe höher liegt, ist beim Hund nicht bekannt bzw. nicht beschrieben.
Die subklinische Schilddrüsenunterfunktion
Die subklinische Hypothyreose ist eine unterschwellige, also nicht offensichtliche Unterfunktion der Schilddrüse, und genau das macht sie so schwierig zu diagnostizieren und auch so umstritten. Über den Zusammenhang zwischen Verhaltensänderungen/-problemen und grenzwertigen Schilddrüsenwerten wird seit längerem kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite neigt manch ein Hundetrainer dazu, sämtliche Verhaltensänderungen mit der Schilddrüse in Verbindung zu bringen und schickt seine Kundschaft zum Tierarzt „weil der Hund Thyroxin braucht“, auf der anderen Seite weigern sich viele Kollegen Hunde zu behandeln, die keine klinisch manifeste Hypothyreose zeigen, und deren Werte noch innerhalb des Referenzbereiches liegen. Beides ist pauschal und nicht zielführend.
Während in der Labortierforschung und in der Humanpsychiatrie die Zusammenhänge zwischen einer gestörten Schilddrüsenfunktionen und Verhaltensänderungen bereits seit Jahren publiziert werden, scheint in der Veterinärmedizin dieses Thema kaum angekommen zu sein.
Die Problematik an der Diagnostik der subklinischen Hypothyreose ist, neben den nicht eindeutigen Blutwerten, dass die oben angesprochenen körperlichen Symptome in der Regel nicht auftreten, und die Verhaltensänderungen im Gegensatz zu der klinisch manifesten Hypothyreose auch ins Gegenteil umschlagen können. Also ist der Hund nicht gezwungenermaßen apathisch und träge, sondern kann auch auch hyperaktiv, aggressiv oder gestresst sein.
Denn letztlich führt ein verringerter Thyroxinspiegel zu einer verlangsamten Verstoffwechselung von Cortisol, was wiederrum zu einer Erhöhung des Hormons des sogenannten passiven Stresssystems führt. Dies erklärt, weshalb viele Verhaltenssymptome eines hyperthyreoten Hundes denen eines unter Kontrollverlust, passiver Stressbelastung und/oder Cortisonbehandlung stehenden Hundes ähneln.
Auch auf andere Botenstoffe hat das Thyroxin einen Einfluss: So werden bei einer Hypothyreose die Serotonin (= natürlicher Stimmungsaufheller)- und Dopamin – (= Selbstbelohnungsdroge)-rezeptoren schneller abgebaut, Thyroxin erhöht jedoch auch direkt den Serotoninspiegel. Auch die Aktivität der Dopaminrezeptoren wird durch Thyroxin erhöht, wohin gegen bei hypothyreoten Ratten die Zahl der Noradrenalinrezeptoren (Noradrenalin wird auch als Kampfhormon bezeichnet) im Gehirn steigt. Sowohl T3 als auch T4 verlängern auch die Anwesenheit von GABA im synaptischen Spalt. GABA wiederrum ist einer der wichtigsten Transmitter in den erregungsdämpfenden Schaltkreisen des Gehirns.
Hier wird klar, dass die Schilddrüse und ihre Hormone nicht direkt für die Verhaltensänderungen ursächlich sind, sondern über den „Umweg reduzierter Stoffwechsel“ viele Botenstoffe beeinflussen, die auf das Verhalten wirken. Die Folgen sind vielfältig: plötzliche Aggression und eine vermehrte Reizbarkeit können ebenso auftreten, wie die erwähnte Apathie. Oft zeigen betroffene Hunde das sogenannte „Dr. Jekyll und Mr. Hyde Syndrom“, sprich sie leiden unter plötzlichen Stimmungsschwankungen und Wutanfällen. Bei plötzlich auftretender Angst, Phobien, Furcht, Stressanfälligkeit und Unsicherheit, sollte man immer die Schilddrüse überprüfen lassen, ebenso bei Übererregbarkeit, Nervosität und Hyperaktivität. Häufig schildern Besitzer solcher Hunde auch einen regelrechten Tunnelblick und eine absolute Unansprechbarkeit des Hundes, gepaart mit einem Konzentrationsmangel und Aufmerksamkeitsdefiziten.
Hinter all diesen Symptomen kann also die Schilddrüse stecken – muss sie aber nicht!
Denn man findet unserer Erfahrung nach bei mindestens 90% aller Hunde niedrige Schilddrüsenwerte, ohne dass diese jemals verhaltensauffällig werden. Auf der anderen Seite sprechen viele Hunde mit Verhaltensprobleme sehr schnell und gut auf die Substitution der Schilddrüsenhormone an. Da ein kompetenter Tierarzt immer den Patienten und nicht seine Blutwerte behandelt, muss man sich also den ganzen Hund anschauen, und nicht nur die Laborwerte. Darum sollte man sich im Verdachtsfall an einen Tierarzt wenden, der sich auf Verhalten spezialisiert hat, denn nur dieser kann im Zusammenspiel der Interpretation der Blutwerte und der Verhaltensänderung eine kompetente Einschätzung vornehmen.
Die Therapie
Die Therapie einer (subklinischen) Hypothyreose ist relativ einfach, die Prognose gut. Die Hormone, die die Schilddrüse selber nicht mehr zu bilden vermag, werden durch Tabletten substituiert. In der Regel ist eine lebenslange Behandlung nötig.
Bis die körperlichen Symptome verschwinden dauert es eine Zeit, aber in Bezug auf das Verhalten ist eine Besserung oft bereits nach wenigen Tagen erkennbar.
Wichtig ist es, dass die Hormone beim Hund zwei mal täglich gegeben werden, weil der Hund sie wesentlich schneller verstoffwechselt als der Mensch. Darum ist auch die Dosis, die benötigt wird, sogar bei einem kleinen Hund um ein Vielfaches höher als bei einem Menschen.
Bei einem substituierten Hund sollte man ca. halbjährlich die Werte auf die optimale Einstellung hin überprüfen, dafür reicht die Kontrolle des Thyroxins aus. Wichtig ist, dass man das Blut ca 4-6 Stunden nach der letzten Tablettengabe entnimmt, um einen aussagekräftigen Wert zu erhalten.