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Strodtbeck'sche Schnauze
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© aller Texte: Sophie Strodtbeck. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, dürfen nur mit Genehmigung der Autorin vorgenommen werden!
Der Canis senioricus
Diesen Beitrag schreibe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, genauso wie ich den Lebensabend meiner beiden Hundeseniorinnen (Günes, das Dönertier, auch als Canis autisticus bekannt, 12 Jahre und Andra, ein Beaglechen, 11 Jahre alt) mit einem lachenden und einem weinenden Auge begleite. Auf der einen Seite weiß ich, dass die gemeinsame Zeit begrenzt ist, das wird mir mit jedem Zipperlein und jedem grauen Haar schmerzlich ins Bewusstsein gebracht, aber auf der anderen Seite erlebe ich jeden Tag bewusster und freue mich, wenn es den beiden alten Damen gut geht. Gerade die letzten Jahre empfinde ich als Geschenk, Hund und Mensch werden immer mehr zum eingespielten Team, man versteht sich blind, zur Verständigung braucht es fast keine Worte mehr.
Ab wann ist ein Hund denn überhaupt ein Senior? Diese Frage, die ich so oft gestellt bekomme, lässt sich nicht pauschal beantworten. Während viele kleine Hunde mit 15 Jahren noch topfit sind, ist zB manch eine Dogge oder ein Irischer Wolfshund bereits mit 5-6 Jahren alt. Das Seniorenstadium eines Hundes lässt sich also nicht am tatsächlichen Lebensalter festmachen sondern nur an der Symptomatik. Genauso wenig sind die hier gegebenen Tipps also pauschal anzuwenden.
Graue Schnauzen
Das erste, offensichtliche Anzeichen für das Altern eines Hundes ist in der Regel die langsam ergrauende Schnauze. Obwohl das natürlich auch beim Hund eine individuelle Veranlagung ist, so dass ein Hund mit grauer Schnauze noch lange kein Senior sein muss.
Wie beim Menschen beginnt das Ergrauen in der Regel am Kopf, beim Menschen an den Schläfen, beim Hund an der Schnauze, und setzt sich dann langsam nach hinten fort. Dabei gibt es eigentlich keine grauen Haare, der optische Eindruck entsteht durch eine Mischung aus pigmentierten und pigmentlosen Haaren. Die Haare sind entweder weiß oder farblos, verursacht durch einen im Alter erschwerten Abbau von Wasserstoffperoxid, dass dann wiederum eine verminderte Produktion des Farbstoffes Melanin nach sich zieht. Das fehlende Melanin führt zu einer Hypopigmentierung und wird durch Einlagerung von Luftbläschen in den Haarschaft ersetzt. Solche Haare erscheinen für das menschliche Auge weiß.
Organische Veränderungen
Der deutsche Mediziner und Begründer der Gerontologie (die Wissenschaft vom Altern), Max Bürger, definierte 1960 das Altern als eine irreversible zeitabhängige Veränderung von Strukturen und Funktionen lebendiger Systeme. Das Altern ist also ein degenerativer biologischer Prozess, der mit zunehmendem Lebensalter zu psychischen und physischen Abnutzungserscheinungen führt. Eine der Folgen ist, dass alte Hunde häufiger erkranken, als typische Alterskrankheiten treten beim Hund zB Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen, Tumore, Übergewicht, Lebererkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes und vieles mehr auf. Das ist der Grund, warum es sich empfiehlt beim älteren Hund regelmäßig ein sogenanntes Geriatrieprofil erstellen zu lassen, also eine Blutuntersuchung, in der speziell die Organe erfasst werden, die im Alter oft Probleme bereiten.
Ein weiteres häufiges Problem beim älteren Hund sind Verschleißerscheinungen der Gelenke und der Knochen. Schmerzhafte Arthrosen, die dem Hund Probleme bereiten, sind die Folge. Hier steht der Hundehalter in der Pflicht, seinem Hund einen (weitgehend) schmerzfreien Lebensalter zu ermöglichen. Wenn Leber- und Nierenwerte nicht dagegen sprechen, sollte man in diesem Fall Schmerz- und Entzündungshemmer geben, um ihm den Alltag erträglich zu machen. Denn auch beim Hund gilt: wer rastet, der rostet! Regelmäßige Bewegung ist wichtig, auch um einem weiteren Abbau der Muskulatur vorzubeugen. Diese Medikamente werden in der Regel auch bei längerfristiger Gabe gut vertragen.
Ernährung
Prinzipiell sollte man dem Abbau von Muskulatur durch die ausreichende Fütterung von hochwertigem, leichtverdaulichem Eiweiß vorgebeugt werden, solches Protein ist zB in Muskelfleisch oder auch Ei oder Milcheiweiß enthalten. Für einen Senior empfiehlt sich ein Proteingehalt von ca 18 – 22%, denn zu viel Protein muss über die Nieren abgebaut werden und belastet diese zusätzlich.
Wegen der eingeschränkten Bewegungsfreude muss auch auf einen reduzierten Kaloriengehalt geachtet werden. Der Energiegehalt muss also dem Zustand des Hundes individuell angepasst werden, um Übergewicht und seinen fatalen Folgen vorzubeugen. Selbstverständlich muss die Nahrung auch dem Gesundheitszustand angepasst werden. Das bedeutet zB bei einer Nierenerkrankung einen reduzierten Proteingehalt, um die Nieren zu entlasten, oder bei einer Tumorerkrankung einen möglichst geringen Kohlenhydratanteil, um den Tumor nicht mit zu füttern.
Um die Darmtätigkeit zu regulieren, sollte ein Seniorfutter auch einen adäquaten Ballaststoffgehalt aufweisen. Erkennbar ist der Ballaststoffgehalt am Rohfasergehalt in der Deklaration. Ein Fertigfutter für Senioren sollte einen Rohfasergehalt von mindestens 2% haben. Ein hoher Rohfasergehalt hat einen weiteren Vorteil, nämlich einen niedrigen Energiegehalt, so dass der Hund etwas mehr fressen darf, ohne dass sich das „mehr“ sofort auf den Rippen bemerkbar macht.
Ein Seniorhund hat auch andere Ansprüche an die Mineral- und Spurenelementeversorgung als ein junger. Vor allem Phosphor spielt eine große Rolle, weil die Funktionsfähigkeit der Nieren im Alter eingeschränkt ist, und ein hoher Phosphorgehalt die Nieren zusätzlich belastet. Die Phosphoraufnahme beim Senior sollte 75 mg pro Kilogramm Körpergewicht nicht überschreiten.
Auch andere Mineralstoffe (Natrium, Kalium, Chlorid) sollten nicht überversorgt werden, der Rohaschegehalt, an dem man den Mineralstoffgehalt festmachen kann, sollte maximal 4% nicht überschreiten.
Der Vitamingehalt hingegen sollte im Vergleich zu einem normalen Adultfutter erhöht sein, weil ein alter Hund Vitamine schlechter verwerten kann und zusätzlich vermehrt über die Nieren ausscheidet. Vor allem auf Vitamin E und auf die B-Vitamine ist ein besonderes Augenmerk zu legen, und auch Vitamin C, das der junge, gesunde Hund in ausreichender Menge selber herstellt, kann zugefüttert werden, weil es eine wichtige Funktion als Antioxidants hat, und den Körper so vor schädlichen Stoffwechselabbauprodukten schützt.
Wichtig für den Senior ist auch die mehrmals tägliche Fütterung kleinerer Portionen, am besten zu regelmäßigen Zeiten. Auch muss man gegebenenfalls darauf achten, dass das Futter gut gekaut werden kann, denn oft haben ältere Semester ja Probleme mit den Beisserchen. Gegebenenfalls kann man Trockenfutter auch in etwas warmem Wasser aufweichen, das steigert zudem die Akzeptanz und erhöht die Wasseraufnahme.
Demenz
Ein Problem, das vielen Haltern von alten Hunden bekannt sein dürfte, ist die Demenz, die durch die höhere Lebenserwartungen bei unseren Hunden genauso wie bei unseren menschlichen Artgenossen immer häufiger auftritt. Durch meinen Canis autisticus, der zugegebenermaßen schon dement auf die Welt kam, sich aber trotzdem mit den Jahren steigert, bin ich seit längerem mit der Problematik vertraut. Vor allem die Orientierungslosigkeit nimmt zu, es passiert immer öfter, dass sie in einer Zimmerecke steht und „vergessen“ hat, wie man da wieder rauskommt. Sie ist quasi gefangen in einem Käfig, der nur an zwei Seiten geschlossen ist. Oft muss ich sie dann in der Ecke abholen. Auch kommt es vor, dass sie auf dem Weg ins obere Geschoss vergisst, was sie eigentlich wollte. Dann verharrt sie für einige Minuten auf der Treppe, um dann irgendwann wieder den Rückweg anzutreten. Oder sie steht an der Terrassentüre und möchte auf der Seite heraus gelassen werden, die sich gar nicht öffnen lässt. Das wäre früher nicht passiert, denn da wusste sie, welche Seite die erfolgsversprechende ist. Das Spazierengehen wird zum Spazierenstehen, weil Madame zunehmend in ihre eigene Nasenwelt abtaucht und minutenlang an einem einzigen Grasbüschel schnüffelt. Wenn man sich überlegt, wie viel Grasbüschel uns durchschnittlich pro Spaziergang begegnen, kann man sich vorstellen, wie lange wir inzwischen für 500 Meter brauchen - die hündische Jugend im Hause Strodtbeck ist zunehmend genervt... Das Fressen, das ja noch nie zu ihren Lieblingshobbies gehört hat, zieht sich in die Länge, weil sie offenbar mit der Nase im Napf vergisst, was sie gerade tun wollte, und dann minutenlang einfach so dasteht und Zeit und Futter vergisst – während die Sabberfäden der Beagles immer länger werden.
Manchmal erkennt sie „alte Bekannte“ nicht, begrüßt dafür aber Fremde, als wären sie ihre besten Freunde. Ein Parkett oder Laminat empfiehlt sich nicht, wenn man einen dementen Hund im Haus hat, denn durch die nächtliche Unruhe mit rastlosem Umherwandern ist es schnell auch vorbei mit der Nachtruhe der Halter, wenn Hund an seniler Bettflucht leidet und die ganze Nacht über das Parkett tippelt.
Demenzerkrankungen sind also nicht nur dem Menschen vorbehalten, auch Hunde leiden am sogenannten Kognitiven Dysfunktions-Syndrom. Weitere Anzeichen hierfür sind plötzliche Angstattacken in eigentlich seit langem vertrauten Umgebungen und Situationen, plötzliche Reizbarkeit und Aggressionen, Probleme mit dem alleine Bleiben, eine zeitliche und räumliche Desorientierung und / oder eine zunehmende Teilnahmslosigkeit. Auch Appetitlosigkeit und nachlassende Körperpflege können symptomatisch für eine Demenz sein. Trotzdem muss betont werden, dass auch andere Erkrankungen zu solchen Symptomen führen können, weshalb es unbedingt notwendig ist, das Krankheitsbild von einem Tierarzt abklären zu lassen.
Die Ursachen
Beim Menschen sind einige Risikofaktoren für die Entstehung einer Demenz bekannt, an erster Stelle ist hier eine hohe Lebenserwartung zu nennen. Aber auch Übergewicht, Depressionen, wenig Bewegung und Diabetes Mellitus zählen hier zu den Risikofaktoren. Studien haben nachgewiesen, dass eine Erhöhung des Spiegels des Stoffwechselgiftes Homocystein, ausgelöst durch einen Mangel den Vitaminen Folsäure und Vitamin B 12 und B 6 im Alter, das Risiko für Demenz steigen lässt. Gerade das Vitamin B12 hat auch eine andere wichtige Funktion: es hat eine zentrale Schlüsselfunktion für den Erhalt der sogenannten Myelinscheiden – der schützenden Membran um die Nervenzellen. Fehlt Vitamin B12, baut sich diese Myelinschicht stetig ab, die Folge ist eine verminderte Reizweiterleitung der Nervenzellen und damit verlangsamte Denk- und Gedächtnisprozesse. Auch Omega-3-Fettsäuren spielen eine wichtige Rolle beim Schutz der Myelinscheiden.
Außerdem wird vermutet, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen eine neuroprotektive, also eine nervenschützende Wirkung hat. Werden diese Östrogene der Hündin durch eine Kastration genommen, steigt das Demenzrisiko im Alter.
Eine große Rolle spielt hier auch das Stresshormon Cortisol. Die Cortisol-Gesamtproduktion ist zwar nicht altersabhängig, jedoch kommt es mit zunehmenden Alter zu einer erhöhten Stressempfindlichkeit mit stärkerer Cortisolausschüttung im Fall einer Belastungssituation, und Cortisol verstärkt Gedächtnisschwierigkeiten. Bekannt ist auch, dass ein Leben in dauerhaft überfordernden Stresssituationen das Risiko, an Demenz zu erkranken, erhöht. Auch führt das leichter erregbare Cortisolsystem zu einer Verschärfung der nächtlichen Unruhe, die wiederum zu erhöhtem Stress führt... Berichte vieler Halter zeigen auch, dass sich bereits bestehende Problematiken, wie zB eine Gewitter- oder Verlassensangst, im Alter durch die erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen oft verschärfen.
Ein weiteres Problem, mit dem betroffene Hunde zu kämpfen haben, ist die nachlassende Seh- und Hörfähigkeit. Gerade die Fähigkeit, Geräusche einer bestimmten Quelle zuzuordnen, sinkt im Alter – auch das bedeutet erhöhten Stress für den Hund.
Was kann helfen?
Der Zusammenhang mit dem Stresshormon Cortisol macht klar, dass man bei Hunden mit einer kognitiven Dysfunktion am allgemeinen Stressmanagement ansetzen muss. Dazu eigenen sich zum einen verschiedene Nahrungsergänzungsstoffe, ggf Medikamente oder auch Pheromone, also Duftstoffe mit einer beruhigenden Wirkung (siehe Artikel Angst und Furcht Teil II). Es gibt auch Medikamente, die zu einer besseren Durchblutung des Gehirns und auch des Innenohres führen, und dadurch die die Denkleistung verbessern und den Stresslevel senken können.
Eine Nahrungsumstellung macht im Alter nicht nur unter den oben erwähnten Gesichtspunkten Sinn, sondern auch im Hinblick auf die kognitive Dysfunktion. Man kann versuchen, dem Hund über die Zugabe von Folsäure, B-Vitaminen, L-Carnitin, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin E und C Erleichterung zu verschaffen und seine Gehirnleistung zu verbessern. Allerdings sollte man auch diese Umstellung mit seinem Tierarzt absprechen, um eine Über- oder Unterversorgung zu verhindern.
Studien zeigen, dass auch der Einsatz von Ginkgo biloba, bekannt aus der Humanmedizin, beim dementen Hund erfolgversprechend sein kann.
Bei vielen Hunden hilft eine Umstellung auf eine Mais-freie Ernährung, weil Mais sehr wenig an der Aminosäure Tryptophan enthält, die für die Bildung des stressdämpfenden und stimmungsaufhellenden Botenstoffes Serotonin notwendig ist. Allerding sollte man auch das individuell auf die Persönlichkeit des betroffenen Hundes abstimmen.
Entspannungsmassagen können über das dabei gebildete Bindungshormon Oxytocin den Stresshormonpegel senken.
Der Alltag
Wichtig für Hunde mit einer Kognitiven Dysfunktion sind tägliches Training, feste Rituale und Tagesabläufe, aber auch Abwechslung.
Fangen Sie - wenn noch nicht geschehen - an, den Hund auf Sichtzeichen umzustellen, das erleichtert den Umgang für den schwerhörigen Hund und den Menschen.
Stellen Sie den Hund weiterhin vor Herausforderungen, aus denen er erfolgreich herausgehen kann. Denn beim selbstständigen Lösen von Aufgaben wird der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet, die sogenannte Selbstbelohnungsdroge des Gehirns und ebenfalls ein wichtiger Gegenspieler des Cortisols. Gut geeignet sind zB (gelenksschonendes!) Clickertraining oder verschiedene Formen der Nasenarbeit (das trainiert nebenbei auch noch seine Nase).
Bieten Sie Ihrem Hund Abwechslung, bauen Sie auf dem Spaziergang mal einen kleinen Umweg oder ein kleines Spielchen ein, das regt die Gehirnleistung an. Wer rastet (egal ob physisch oder psychisch), der rostet – das gilt auch für unsere Fellnasen! Aber passen Sie auf, dass Sie Ihren alten Herren oder Ihre alte Dame dabei nicht überfordern.
Extrem wichtig sind für einen Senior immer wiederkehrende Rituale. Das beginnt mit einem Futternapf oder Schlafplatz, die immer am selben Ort stehen sollten, und geht bis hin zu einem zeitlich streng geregelten Tagesablauf. Nutzen Sie die Rituale, um bestimmte wiederkehrende Ereignisse anzukündigen. Feste Schmuseeinheiten zu einer bestimmten Zeit können beispielsweise auch ein Ritual sein.
Geben Sie Ihrem Senior die nötige Sicherheit, übernehmen Sie die Führung und beweisen Sie dabei, dass Sie die nötige Kompetenz dafür besitzen. Beschützen Sie Ihren Senior zB vor „Übergriffen“ wilder Jungspunde, denn auch wenn der andere „nur spielen will“, ist das in der Regel für einen schlecht hörenden und sehenden alten Hund mit kaputten Gelenken Stress.
All diese Maßnahmen werden das Leben für Ihren Senior etwas lebenswerter und bequemer machen.
Abschied nehmen
Trotz allen Hilfen, die Sie Ihrem Hund anbieten können, wird er irgendwann kommen: der Tag, an dem die Lebensqualität dauerhaft nicht mehr gegeben ist. Doch wann ist dieser Tag? Auch ich stand schon vor der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, hatte aber bisher das Glück, dass sich meine alte Dame jedesmal wieder rechtzeitig aufgerappelt hat Das Dönertier ist zäh, nichtsdestotrotz wird der Tag kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und dann werden mich dieselben Fragen quälen, wie alle anderen auch, die vor dieser Entscheidung stehen. Etwas Beruhigung verschafft das Wissen, dass es bei fast allen Patienten und auch Hunden im Freundeskreis eines Tages klar war: jetzt will Hund nicht mehr. Das zeigt sich unterschiedlich, aber für den Hundehalter, der seinen Hund seit Jahren gut kennt, meist eindeutig. Manche Hunde fressen nichts mehr, stehen nicht mehr auf, die depressiven und inaktiven Phasen nehmen überhand oder die Schmerzen sind zu groß und es gibt keine Linderung mehr. Ziel ist es nicht, die Lebensquantität um jeden Preis zu erhöhen, sondern ein möglichst langes Leben mit einer hohen Lebensqualität zu ermöglichen. Ich persönlich sehe es übrigens als großen Segen, dass man Tieren unnötiges Leiden ersparen kann. Der Egoismus des Menschen, der (verständlicherweise) nicht Abschied nehmen mag, darf kein Grund sein, den Hund am Leben zu erhalten, wenn dieser dabei keine Lebensqualität mehr hat. Nicht der Tod bedeutet Leiden für ein Tier, sondern das Leben unter inadäquaten Bedingungen.
Und wenn es dann soweit ist, ist es die Aufgabe eines Hundehalters, den Hund auf seinem letzten Weg zu begleiten. Zu meinen aktiven Praxis-Zeiten war ich regelmäßig erschüttert, dass es Menschen gibt, die den Hund dann einfach beim Tierarzt abgeben, um ihn einschläfern zu lassen. Sind wir unseren Hunden nicht schuldig, sie auf diesem letzten Weg zu begleiten? Sie sind uns ja schließlich in der Regel jahrelang treu zur Seite gestanden und waren immer da, auch wenn manch ein Mensch uns in solchen Situationen alleine gelassen hat. Natürlich ist das für den Besitzer ein schwerer Gang, meist sogar der schwerste im gesamten Hundeleben, aber da bin ich völlig kompromisslos der Meinung, dass Mensch für seinen Hund bis zum Schluss da sein sollte und da durch muss. Optimaler Weise findet man einen Tierarzt, der zu einem nach Hause kommt, und dem Hund dadurch den unnötigen letzten Stress in der Tierarztpraxis erspart.
Einer der größten Nachteile an unseren hündischen Lebensgefährten ist in meinen Augen die unterschiedliche Lebenserwartung der Spezies Mensch und Hund. Man weiß, dass das Ende kommen wird, aber das macht es nicht einfacher. Es bleibt nur, die gemeinsame Zeit bewusst zu genießen und für beide Parteien lebenswert zu gestalten....